Category: Italien

  • Schritt für Schritt

    Die verstörenden Eindrücke der letzten Wochen – vermüllte Strände, heruntergekommene Städte und gespenstische, beinahe verlassene Dörfer – hatten sich tief in unsere Köpfe gebrannt. Letztlich wurde all das wohl durch unseren eigenen desolaten psychischen Zustand verstärkt. Doch der mehrtägige Aufenthalt in und um Bari hat uns bereits geholfen, wieder etwas Boden unter die Füße zu bekommen, loszulassen und aufzuatmen.

    Nun sind die letzten Tage in Italien angebrochen, und es hat uns noch einmal hinausgezogen: Wenigstens den Absatz des italienischen Stiefels wollten wir mitnehmen – Apulien.

    Zwischen einzelnen Regenwolken oder manchmal sogar ganzen Fronten schenkt uns die Sonne immer wieder Momente der Wärme. Sie trocknet unser Zuhause, wärmt unsere Gesichter und ermutigt uns täglich zu kleinen Abenteuern. Wir unternehmen kurze Wanderungen entlang der Küste, drehen schnelle Morgen- oder Nachmittagsrunden auf den Gravelbikes (die wir damit zum ersten Mal wirklich nutzen auf dieser Reise), verrenken uns auf den Yogamatten und tollen mit den Hunden am Strand, während uns der Wind die salzige Gischt in die lachenden Gesichter weht.

    Wir genießen wieder das Leben. Fast so, wie es sein sollte. Wir nähern uns unserer Normalität – langsam, in kleinen Schritten. Noch ist sie nicht vollständig zurück, und wahrscheinlich wird sie es auch morgen oder übermorgen nicht sein.

    Dennoch: Jeden Tag üben wir mit dem Wohnmobil, gewöhnen es Stück für Stück wieder daran, allein irgendwo im Nirgendwo zu stehen und geduldig auf unsere Rückkehr zu warten. Manchmal schafft es 20 Minuten, manchmal nur 10, dann wieder 25.

    Mühsam ernährt sich eben das Eichhörnchen – aber verhungern lassen wir es nicht. Denn wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

    Unser Weg.

  • Wir melden uns zurück

    Nein, noch sind wir nicht von unserer Reise zurück, auch wenn das beinahe der Fall gewesen wäre. Wir wollen uns nur von unserer “Sendepause” zurückmelden und starten dazu erst einmal, wo wir aufgehört hatten: Florenz. 

    Sonne, Regen und Florenz

    Gemeinsam mit Sonne und Regen verbrachten wir drei Tage in Florenz. Jeden Tag hatten wir einen anderen schönen Übernachtungsplatz – mal mit Ausblick von ganz oben auf das nächtliche Florenz, mal direkt neben dem Stadion, weil wir abends umpark-faul wurden. Ganz gleich, gestartet sind wir täglich vom Stadion-Parkplatz. Zu Fuß oder mit dem Bus sind wir in die Innenstadt gependelt, um dort viel Geld gegen Einblicke in die Kunst und Geschichte der Stadt zu tauschen. 

    Trotz Schlangestehen, Nieselregen und (für uns) Menschenmengen haben wir begeistert die Kuppel des Doms, den Glockenturm, die Krypta und das Dom-Museum besucht, ließen unsere Köpfe 2 Stunde lang bei einer Stadtführung mit historischem Wissen füllen, aßen Eis und verspeisten kulinarische Spezialitäten wie Lampredotto (Brötchen mit dunklem, zartem Labmagen des Rindes) und Trippa (Brötchen mit Pansen, Netz- und Blättermagen des Rindes) – vielleicht war nicht jeder von uns gleichermaßen von allem begeistert – und schlossen mit einer Flut von Kunst und Skulpturen im Ufficio ab. Kurz um: Wiederholt ein sehr anstrengender, aber gelungener Städtetrip.

    Siena als Geldbeutel-Kurzurlaub

    Da wir nicht direkt etwas Kletterbares auf unserem weiteren Weg Richtung Süd fanden, hielten wir Kurs auf Siena. Wie so oft, parkten wir das Wohnmobil irgendwo im Nirgendwo am Stadtrand und machten uns auf, um die alte Stadt zu durchstreifen. Glücklicherweise lassen sich in Siena für schmales Geld Eindrücke sammeln  – quasi Erholungsurlaub für den durch Florenz verschreckten Mensch und seinen Geldbeutel. 

    Zu zweit konnten wir sowohl der beeindruckenden Kathedrale als auch dem Museum und der Krypta einen entspannten Besuch abstatten, doch nach dem Motto “(kulturelle) Bildung tut uns allen gut”,wollten die beiden flauschigen Damen nicht zurückbleiben. Für die restliche Stadterkundung begleiteten sie uns daher. 

    So wie Eltern ihre Kinder fürs Artig-Sein belohnen, so sind auch wir diesem gesellschaftlichen Zwang bei unseren Mädels nachgekommen: Zum Abschluss ging es auf den Spielplatz – Hundespielplatz versteht sich. Es wurde mit Zweibeinern getobt, miteinander, mit anderen Vierbeinern und jedes vorhandene “Sportgerät” ausprobiert – Spiel und Spaß und “Sport frei”!

    Krankheit, Schweinejagd und Klettern

    Was wir in Siena an Geld gespart hatten, mussten wir im Nachgang mit Gesundheit zahlen. Schniefen, Husten, Nörgeln – die Luft im Wohnmobil war gefüllt mit nervigen Geräuschen. 

    Wer kennt den Spruch nicht auch “wer arbeiten kann, kann auch klettern”?! Gut, der Spruch geht wohl anders, aber nehmen wir an, er würde so lauten, dann erklärt sich von alleine, dass wir trotz Rotznasen wieder auf Felserkundung gehen wollten. 

    Wille und Vernunft – Katja und Tobi – Klettern? Wir suchten uns vorerst zur Erholung einen abgelegenen, kostenlosen Stellplatz. Viel frische Luft, Sonnenschein und leichte Bewegung hat bekanntlich noch niemandem geschadet und so machten wir uns zu einer kleinen Wandern auf. 

    Knall, Gejohle, Knall, Geheule, Knall, Knall, Knall. Rückzug! Wildschwein-Treibjagd stand irgendwo in der Nähe auf dem Samstagsplan der Einheimischen – eine Begeisterung, die Cima augenscheinlich auf gar keinen Fall teilen konnte. 

    Neuer Tag, neues Glück? Wir wanderten los, kamen auf einem Hügel an und… standen quasi inmitten von Jägern, die sich gerade anschickten, die nächste Treibjagd zu eröffnen. Wir entschieden uns, dass man sich auch ausreichend direkt vor dem Wohnmobil mit Yoga bewegen kann.

    Kurz mal Klettern

    Man mag es nicht glauben, doch weitestgehend erholt, machten wir uns nach diesem Wochenende auf zum Klettern und landeten über ein paar Umwege in den Marken bei der Grotte di Frasassi. Geiz ist geil – wir ließen das Geld stecken und statt in den Grotten zu flanieren, gingen wir klettern, wandern und abgelegene Orte genießen… und brachten zwischendurch das gesparte Geld schnell noch zu einem Tiergeschäft, weil aus Happys und Cimas Fell Flöhe winkten – scheinbar halb tot, aber wir wollten sie lieber ganz tot sehen.

    Weiter ging es nach Ascoli Piceno – zum Klettern und Stadtbummeln – und als wir alles abgeklettert hatten, ging es weiter nach Pescara. Nach einer lauten Nacht und einer ausführlichen Runde Toben am Sandstrand, trieb es uns weiter…

    Auf zum Finale

    Wir trafen am Lago di Lesina im Parco Nazionale del Gargano ein. Ignoriert man den ganzen Müll und die Ferien-Geisterstadt, standen wir sehr schön – ganz nah am Ufer mit Sandstrand und Blick auf die Adria.

    Arbeitend, die Aussicht und Sonne genießend fuhren wir entlang der Küsten durch die Städte bis zum äußersten Punkt des Nationalparks, um dann kurvenreich auf nahezu einsamen Straßen direkt durch das grüne Herz des Parks nach Mattinata zu gelangen. Mehrere Tage lang standen wir abseits des Ortes zwischen Olivenhainen, hörten früh um 6 Uhr die Erntehelfer kommen, sahen sie 14 Uhr wieder fahren und vergnügten uns selbst derweil an Felsen aus bestem Kalkstein. Irgendwann teilten uns unsere Finger mit, dass es Zeit für eine Pause und somit Zeit für die Weiterreise war. 

    Wir entschlossen uns zu einer letzten Nacht vor Ort, um den herrlichen Sonnenaufgang und den unglaublichen Blick auf das Meer und die Umgebung noch einmal genießen zu können. Erst dann machten wir uns auf den Weg zu einem letzten Abstecher in der Gegend, denn unsere Mädels mögen das Wandern… nicht immer nur das “am-Wandfuß-Abgammeln”.

    Nun… Es war eine sehr schöne Wanderung, doch das Finale unseres Aufenthaltes in der nördlichsten Region Apuliens hatten wir uns etwas anders vorgestellt. Etwa so: Wir gehen motiviert wandern, essen Pizza, fahren die Küste entlang Richtung Bari, kaufen unterwegs lokal-hergestelltes Olivenöl und genießen abends frisches Brot mit eben diesem Öl und Salz und einem schönen Salat. Traumhaft, oder?

    Traumhaft wurde es auch für uns, nur kam da noch ein ungeplanter und völlig unerwünschter Prefix vor: Alb. Albtraumhaft.

    Als wir von der Wanderung, bei der wir im Übrigen keine leckere Pizza finden konnten, ausgehungert am Abstellort unseres Mobils ankamen, durften wir feststellen, dass auch aus dem restlichen Plan mit dem leckeren Olivenöl, dem Brot und dem Salat an diesem Tag nichts mehr werden würde. Kein Wohnmobil. Weit und breit kein Wohnmobil. Traum-Ende? Albtraum-Anfang?

    Weiter geht’s morgen. Die Köpfe müssen sich im Schlaf noch etwas sortieren.

  • Klein, aber fein

    „Klein, aber fein“ – so lässt sich diese Woche wohl am besten beschreiben. Zwischen kleinen Felsen, kleinen Orten und dem kleinen Zwergstaat San Marino verbrachten wir sonnige Tage voller Bewegung, Begegnungen und natürlich Klettern.

    Rund um und in San Marino entdeckten wir zahlreiche kleine Felsgruppen, die sich perfekt zum Klettern eigneten. An einem recht vollen Felsen – auch Italiener scheinen Wochenenden zu haben – lernten wir einen Klettertrainer mit seinem Kurs kennen. Von ihm erhielten wir Tipps für weitere Spots und seinen Empfehlungen folgend, fanden wir uns tags darauf am zweiten Turm in San Marino wieder – Gesellschaft leistete uns am Wandfuß nur der kleine Kletterkurs vom Vortag.

    Wie auf den beiden anderen Türmen thront auch auf dem zweiten Turm eine Burg. Jedes Mal, wenn wir oben an der Burg ankamen, bot sich uns ein toller Blick in die Umgebung und hätten wir oben einen Hut aufgestellt, wären wir wohl jedes Mal ein paar Euro reicher geworden. Wir hatten Zuschauer aus aller Welt, und aus ihren begeisterten Ahs und Ohs sowie englischen und italienischen Zurufen schlossen wir, dass wir an diesem sonnigen Sonntag ein nettes, ergänzendes Unterhaltungsprogramm für die Besucher der Burg boten.

    Nun sind auch wir Touristen (und nicht nur Kletterer), und so durfte ein Besuch der Stadt und ihrer Burgen nicht fehlen. Wir zwängten uns durch die kleinen Gassen, vorbei an unzähligen Läden mit Schmuck, Waffen und Parfüms, genossen die Ausblicke und guckten einmal … zweimal … dreimal … und grüßten lachend ein bekanntes Gesicht vom Wochenende. Ohne Helm sehen Menschen wirklich anders aus und wer rechnet schon damit, dass San Marino so klein ist?

    Nach dem Besuch des Zwergstaates blieben wir dem „Kleinen“ treu und suchten entsprechend weitere Orte und Felsen auf. Oft standen wir direkt am am Fels und konnten ohne viel Aufwand jeden Tag ein paar Stunden in der Sonne klettern, das Reiseleben in vollen Zügen genießen und uns einen kleinen (aber feinen) Traum erfüllen: Nach über zehn Jahren, in denen wir es nie zum Klettern in die Sächsische Schweiz geschafft (oder uns vielleicht nie getraut) hatten, konnten wir uns endlich an Sandsteinfelsen austoben – und das sogar bestens gesichert.

    Wunde Finger, erschöpfte Muskeln, zufriedene Gesichter. Eine erfüllende Woche liegt hinter uns und vor uns nur noch wenige Kilometer bis Florenz. Es ist Zeit für einen Wechsel – von kleinen Felsen und kleinen Orten zu großen Bauten in großen Städten.

  • Wildtierpark 2.0

    Eigentlich wollten wir ja nicht schon wieder in einen Tierpark. Und eigentlich haben wir das auch nicht getan. Wir suchten eigentlich nur einen ruhigen Strand zwischen Venedig und San Marino. Dabei stießen wir uneigentlich auf das Gebiet Volano mitten im Po-Delta.

    Das Gebiet ist weitläufig, ökologisch fast abgeschlossen, reich an Wasser und Nahrung und gleichzeitig geschützt vor Jagd, Straßenverkehr und natürlichen Feinden. Kurz gesagt: ein perfektes Refugium für Rotwild. Und genau das hat sich hier in den letzten Jahrzehnten ungehindert vermehrt. Die Tiere haben kaum noch Scheu vor Mensch oder Hund, so dass sich das Ganze wie ein Wildtierpark ohne Zaun anfühlte.

    Es war ein beeindruckendes Erlebnis. Liegend, stehend, röhrend. Jungtiere, ausgewachsene Tiere, prächtige Geweihe – und wir mittendrin, ohne sie merklich zu stören.

    Für die beiden Hundedamen war es eher ein Wandeln auf schmalem Grat – zwischen Spaß und Strapaze. Kein Zaun, aber Rotwild in Sichtweite – überall. Die Tiere standen nur wenige Meter entfernt im Wald oder auf den Wegen und starrten uns unbeeindruckt entgegen. Anfangs waren die Mädels noch aufmerksam, abrufbar und gut zu lenken. Doch mit der Zeit schwand die Impulskontrolle: Es wurde gequietscht, gebellt, gewinselt, gehechelt – und an allen Enden der Leinen zunehmend entnervt gezogen. Vor allem natürlich an der von Happy.

    Wir verbrachten die beiden Tage in Volano nicht nur im Wald und auf „Wildtiersafari“, sondern auch am Strand, wegen dem wir gekommen waren. Der lange Sandstrand lud zum barfüßigen Spazieren, Muschelsammeln und Toben ein – Begeisterung auf allen Seiten.

  • Venedig – mittendrin statt nur dabei

    Venedig erlebt man. Man sieht es nicht nur.

    Und entweder man hat es erlebt – oder eben nicht. Die Eindrücke, die Geräusche, die Gerüche, das Gefühl, sich in diesem Labyrinth aus Gassen und Kanälen treiben zu lassen – all das lässt sich nicht wirklich beschreiben.

    Zwanghaftes Erkunden

    “The trouble is, walking in Venice becomes compulsive once you start. Just over the next bridge, you say, and then the next one beckons.”

    – Daphne Du Maurier

    Ganz genauso wie es Du Maurier beschrieb, ging es uns an unserem ersten Nachmittag – an dem sich direkt noch ein Abend reihte – in Venedig auch. Das Problem ist, dass das Spazierengehen in Venedig zwanghaft wird, sobald man einmal angefangen hat. Gleich über die nächste Brücke, sagt man, und dann lockt die nächste.

    Wir wollten doch „nur mal kurz rüberfahren“, ein bisschen durch die Straßen bummeln, eine Pizza essen und uns die Stadtbesichtigung für den nächsten Tag aufheben. Doch daraus wurde nichts. Wir liefen, blieben stehen, staunten. Dann liefen wir wieder, blieben stehen, staunten erneut – und so weiter, bis es schließlich dunkel, uns Zweibeinern kalt und die Hunde lauffaul wurden.

    Stunde um Stunde schlenderten wir durch die Stadt, verweilten auf Brücken und beobachteten das geschäftige Treiben auf dem Wasser. Wir ließen die Kulisse auf uns wirken, schoben uns durch enge, verwinkelte Gassen und fragten uns, wie man sich hier überhaupt zurechtfinden kann – mit Handy-Navigation jedenfalls nicht, denn das GPS-Signal ist in Venedig eher symbolisch vorhanden.

    Pizza gab es an diesem Tag keine. Nach mehreren freundlichen, aber bestimmten Abweisungen – mit Hunden durfte man oft nicht einmal draußen sitzen – gaben wir auf und fuhren erschöpft zurück zum Wohnmobil. Es würde ja noch einen Tag geben.

    Zwischen Prunk und Verfall

    Dienstag war Venedig-Tag. Komplett. Von früh bis spät. Wir nahmen alles mit, von Bus über Tram und Boot, Stadtwanderung, und so viele Museen wie zeitlich gingen, Eis und Pizza, Hitze und Kälte und am Schluss wankten 12 müde Beinchen Heim.

    Wir besuchten den Dogenpalast und die drei weiteren Nationalmuseen am Markusplatz. Gemälde, Büsten, Skulpturen, verzierte Decken, aufwendig gearbeitete Türen und Räume, die jedes für sich ein Kunstwerk sind – man wusste kaum, wohin man zuerst schauen sollte.

    Doch so viel Mühe, wie man in die Instandhaltung der prachtvollen Innenräume steckt, so deutlich zeigt sich draußen das andere Gesicht Venedigs: bröckelnde Fassaden, Müll in den Ecken, modriger Geruch. Wen wundert es. Die Gelder fließen entweder in die glänzenden Prunkbauten oder werden für die ständige Pflege der Kanäle benötigt – ein aufwendiges, aber notwendiges Unterfangen, um Stadt und Lagune zu schützen.

    Das Abwassersystem Venedigs besteht aus über 7.000 Klärgruben, die das Abwasser sammeln und grob reinigen, bevor es in die Kanäle fließt. Viel mehr als eine Grundreinigung passiert dort freilich nicht. Zusammen mit dem Müll, den der tägliche Touristenstrom hinterlässt, belastet das die Lagune spürbar. Als wäre das nicht genug, sinkt der Boden weiter ab, während der Meeresspiegel steigt. Immer häufiger steht das Wasser in den Gassen und kriecht die Fassaden empor.

    Der Gedanke, dass dieser erstaunliche Ort vielleicht schon am Ende des Jahrhunderts nicht mehr existieren könnte, hinterlässt uns im Zwiespalt. Als Touristen sind wir Teil des Problems und doch zugleich Teil der Lösung, denn ohne Besucher gäbe es kaum Mittel für Erhalt und Pflege. Am Ende treibt uns wie viele andere auch die eigene Gier: das Faszinierende noch zu sehen, zu spüren, darin einzutauchen, all das aufzunehmen, solange es noch möglich ist, bevor das Wasser die Geschichte weiterschreibt.

    Zwei Hunde mitten im Trubel

    Und ja – Happy und Cima waren natürlich jeden Tag dabei.

    „Mittendrin statt nur dabei“ war das Motto, und sie machten ihrem Leitspruch alle Ehre. Trotz Nebensaison und Wochentag war die Stadt gut gefüllt. Doch egal, wo wir liefen oder mit was wir fuhren, und egal wie eng oder voll es wurde, unsere zwei mal vier Pfoten blieben die Ruhe selbst.

    Geduldig warteten sie mit einem von uns auf den anderen, wenn dieser ein Museum besuchte, wenn wir Pizza oder Eis aßen, auf Brücken standen und wieder einmal über den nächsten Weg debattierten. Beeindruckend wie die Stadt war für uns auch das Verhalten unserer beiden Hunde.

  • 52 Tunnel und ein Baumstriezel später

    Kaum hatte die neue Woche begonnen, setzten wir unsere Reise nur wenige Kilometer von dem Ort fort, an dem wir die letzte beendet hatten. Noch immer befanden wir uns in einer Region, deren Landschaft und Geschichte stark vom Ersten Weltkrieg geprägt sind – also tauchten wir erneut ein in diese Vergangenheit: auf der Strada delle 52 Gallerie, der Straße der 52 Tunnel.

    Durch die 52 mal kurzen, mal langen, mal geraden und mal spiralförmigen Tunnel arbeiteten wir uns auf der ausführlich beschilderten Tour hinauf zum Rifugio Achille Papa. Dank der mehrsprachigen Infotafeln konnten auch wir den Erklärungen zur Anlage, ihrer Entstehung und den Geschichten einzelner Tunnel und Personen folgen. Der Nebel tat sein Übriges, um die ohnehin schon düstere, leicht mystische Stimmung dieser geschichtsträchtigen Region zu verstärken – ein Ort, an dem hunderte Menschen in kürzester Zeit Unvorstellbares geleistet haben.

    Stimmungswechsel. Sonnenschein, plätscherndes Wasser, bunte Gärten. Am Mittwoch genossen wir nach einem üppigen Besuch beim Bäcker eine gemütliche Wanderung auf der Via dell’acqua – dem Weg des Wassers. Da wir an akuter Lustlosigkeit litten (genauer gesagt: keine Lust hatten, ständig die Übersetzungs-App zu zücken), verstanden wir kaum ein Wort von dem, was uns die Tafeln vermitteln wollten. Doch der liebevoll angelegte Weg entlang des Flusses Roggia ließ sich auch ohne Wissenszufluss wunderbar genießen.

    Wir konnten es nicht länger ignorieren. Es verfolgte uns. Rief uns tags und nachts. Der Fels. Zeit zum Klettern!

    Freitag und Samstag folgten wir dem Ruf. Oberhalb von Schio bei Vicenza nahmen wir uns zuerst Contrada Rossi vor, wo wir in völliger Ruhe und bei ein wenig Sonne die Routen abarbeiteten. Das freundliche Dornengestrüpp machte sich allerdings nicht nur am Boden bemerkbar – und auch nicht nur im Auge. Doch was tut man nicht alles für ein bisschen Spaß?

    Am nächsten Tag teilten wir uns Sonne und Fels von Cogollo del Cengio mit kletterfreudigen Italienern. Am Ende waren die Finger wund, die Gesichter glücklich und der Stolz groß – unser Durchhaltevermögen am speckigen Fels konnte sich sehen lassen. Doch was tut man nicht alles für ein bisschen Sonne?

    Das Momentum leben heißt, bereit zu sein, wenn einem etwas vor die Füße fällt – in unserem Fall: Käse. Eigentlich wollten wir auf dem Weg nach Venedig nur einen kurzen Stopp für eine entspannte Gassirunde einlegen. Doch in Piazzola sul Brenta stießen wir plötzlich auf Menschenmassen. Neugier ist die Tugend des Reisenden – also folgten wir der Musik, den Menschen, der Nase.

    Vor und rund um die majestätische Villa Contarini, eine der prächtigsten Villen des Veneto, fanden wir die Ursache des Auflaufs: Caseus – ein Käsefest mit Musik, Wein und allerlei Gaumenfreuden.

    Futter ist immer gut, befanden wir, und gaben das Kommando „begleiten“. Cima reihte sich links, Happy rechts von Frauchen ein, und angeführt von Tobi stürmten wir los, um unsere Mägen mit Käsehäppchen zu füllen.

    Eine Ewigkeit später ließen wir, mit einem Baumstriezel in der Hand, die Villa hinter uns – und die Geschichte dieses Abendbrots, ja dieser ganzen Woche, fand ihr würdiges Happy End in einer Wolke aus Zucker und Zimt.

  • Von Äpfeln, Bären und Kriegen

    Nach einer morgendlichen Runde am Freitag durch die Rastenbachklamm, bei der die Hunde die Gittertreppen zwar hinaufstiegen, aber hinunter getragen werden mussten, ging es noch schnell zum Tierarzt nach Kaltern. Wirklich hilfreich war die gute Dame dort nicht – aber Geld hat sie uns trotzdem abgenommen, und davon nicht zu wenig. Während Tobi anschließend in der Kellerei Tramin Wein verkostete und einkaufte, schliefen die drei Damen des Hauses ihren Medikamentenrausch aus.

    Am Samstag nahmen wir erneut Anlauf, um uns ein wenig zu bewegen und mehr von unserem ersten Reiseland zu sehen. Wie eine kleine Schar Aasgeier fielen wir über die Apfelplantagen rund um unseren Übernachtungsplatz her und wie es sich für echte Aasgeier gehört, töteten wir nichts – wir nahmen nur, was bereits „verendet“ am Boden lag. Auf gut Deutsch: Wir pflückten nicht frech die glänzenden Äpfel von den Bäumen, sondern sammelten die auf, die unbeschädigt den Weg vom Ast auf den Boden gefunden hatten. Als der Rucksack voll war, kehrten wir zurück. Es ging weiter zu den Bären.

    Die Sache mit den Bären werden wir wohl in nächster Zeit nicht wiederholen. In Erwartung eines schönen Spazierganges mit den Hunden in einem weitläufigen Wildtierpark, in dem für die in Gefangenschaft lebenden Wildtiere wenigstens halbwegs angemessen große Gehege angelegt wurden, machten wir uns auf den Weg. 

    Nun, man sollte halt nicht ständig etwas erwarten. Die Bären liefen verstört von links nach rechts, der Luchs hatte so viele Versteckmöglichkeiten, dass man ihn ohne Suche am hellichten Tage fand, und die Uhus brauchten keine gestutzten Flügel, denn zum Fliegen war ohnehin kein Platz. Begeistert waren nicht einmal Cima und Happy, denn ihre Freunde, die Wildschweine, fehlten ganz.

    Genug von lebenden Menschen und gefangenen Tieren. Wir widmeten uns am Sonntag der menschlichen Geschichte inmitten freier Wildtiere. Unser Ziel: der versicherte Steig auf den Corno Battisti, einen Berg nahe Rovereto, durchzogen von Tunneln aus dem Ersten Weltkrieg. Über 1.200 Höhenmeter und mehr als sieben Kilometer ging es durch Wald und Fels, durch dunkle, nasse Gänge stetig bergauf. Oben angekommen genossen wir den weiten Blick über die Schauplätze des Krieges und ahnten noch nicht, dass uns auf dem Rückweg sieben Kilometer lang ein Kleinkrieg eigener Art erwartete.

    Beim Abstieg trafen wir unzählige Gämse, oft nur wenige Meter entfernt. Wir starrten sie an, sie starrten zurück – bis sie davonhüpften und Happy an der Leine jaulend hinterherzog. Dieses Spiel wiederholte sich gefühlt hunderte Male. Spaßig. Wer am Ende des Tages erschöpfter war, lässt sich wirklich nicht mehr sagen.

  • Von Stadtbummlern und Schlechtwetter-Seen

    Nach dem Sport ist vor dem Sport – und zwischendurch ein Anflug von Kultur. Vormittags stand noch etwas Arbeit an, danach ging es auf einen Abstecher nach Meran: Ein wenig durch die Stadt bummeln, den Tappeinerweg entlang schlendern, den Kräutergarten durchforsten und die Bilder an der Wandelhalle bestaunend die Promenade hoch und runter flanieren. Ein bisschen Kultur muss sein.

    Zum Abschluss des Urlaubs ging es heute noch einmal hoch hinaus. Bereits vor 8 Jahren waren wir hier und haben uns in die Texelgruppe aufgemacht, um die Spronser See anzuwandern. Die Wetterprognosen waren damals wie heute. Ein Revival also, jedoch, so hofften wir, mit einem feinen Unterschied: beim letzten Besuch verpassten wir unsere Gondel zur letzten Talfahrt und mussten den gesamten Weg runterlaufen – eine schmerzhafte Erfahrung für unsere Knie, die wir nicht wiederholen wollten.

    Statt in Dorf Tirol starteten wir beim Gasthaus Gasteiger und ließen uns ganz bequem mit dem Korblift  hoch zur Leiter Alm transportieren. Der Lift ist ein ganz besonderes Erlebnis vor allem für die Hunde, denen eine Sonderbehandlung zu Teil wurde: Zum Ein- und Aussteigen wurde der Lift verlangsamt und Pappen als Sicht- und Trittschutz hineingeworfen. Etwas skeptisch wurden die Körbe dennoch von den Vierbeinern betreten, doch schnell stellten sie fest, dass diese Art des Reisens auch ganz nett war – entspanntes Umgebungsscannen.

    Auf 1550 Metern Höhe angekommen, begannen wir unsere über 1100 Höhenmeter und 14 Kilometer lange Tour bei wunderschönem Schlechtwetter. Mal gab es ein wenig Aussicht, dann wieder nicht. Mal gab es ein wenig Wind, dann mal wieder nicht. Mal gab es Sprühregen, dann mal Nieselregen, dann mal Regen – dann mal auch nicht.

    Trotzdem stiefelten wir bester Laune in Regenjacken gehüllt (ja, auch Happy und Cima) über die Hochgangscharte (2455 m) zu den Spronser Seen, zur Oberkaser Alm, über die Taufenscharte (wo ein kleines Arbeitsmeeting in feinstem Regen abgehalten wurde) zurück zur Leiter Alm. Nach einem schnellen Kaffee (es fror uns dezent) schwebten wir wieder mit dem Korblift hinab und beendeten unsere Tour mit der Eröffnung eines Feuchtbiotops (feuchte Kleidung im beheizten Wohnmobil). Zu gemütlich will man es ja während der Reise auch nicht haben.

  • Chillende Kletterer

    Nach unserem gestrigen Fehlversuch in der Steinernen Stadt – die Herren sonnten sich entspannt mit den Hunden, wir Mädels scheiterten am Fels – wechselten wir noch am selben Tag den Standort, füllten Wasser und Futter nach und visierten das nächste Ziel an.

    Wir landeten bei Meran und entschieden uns für den Klettergarten St. Hippolyt. Vormittags lag der Fels im Schatten – perfekte Bedingungen, endlich mal Routen ohne Speck oder Schmiere zu genießen. Kaum wich der Schatten zurück und die Sonne erreichte uns, wich auch der Spaß am Fels. Zum Glück winkte das gleichnamige Gasthaus direkt oben vom Fels herab. Mit Kaiserschmarrn, Kastanien-Tiramisu und Eiskaffee konnte der leere Kalorienhaushalt schnell wieder aufgefüllt werden. 

    Ausklang fanden wir oberhalb von Algund bei Meran – etwas Abgeschiedenheit, nur gestört durch gelegentlich vorbeischwebende Sessellift-Gäste. Besser lassen sich Urlaubstage kaum beenden.

  • Murmeltiere, Sonne und ein iPhone-Bad

    Sechs Jahre ist es her. Damals war Cima das erste Mal mit in den Dolomiten und im Schlepptau hatten wir zudem zwei andere Freunde. Tobi hatte sich einen netten Sonnenstich aus dem Schwimmbad mitgenommen und während wir anderen den Pößnecker Klettersteig (D mit Freiklettern bis zum 2. Grad) machten, wartete er mit Cima am Sellajoch auf unsere Rückkehr. 

    Wie 2019 brannte auch dieses Mal die Sonne wie verrückt und Cima und Happy konnten nicht im Auto gelassen werden. Es lief wieder auf zwei Teams hinaus. Unser 10-Beiniges-Dino-Team machte sich auf den Weg, den Langkofel zu umrunden. Die Äffchen wählten den recht frisch sanierten Pößnecker Klettersteig. 

    Gegen 9 Uhr trennten sich also die Wege und Happy entwickelte bereits auf den ersten Metern der Tour eine innige Liebe zu Murmeltieren. Frech wie diese sind, riefen sie aus allen Ecken, stellten sich nur wenige Meter von ihr entfernt auf und quietschten ihr in die Ohren. Unerschrocken oder hochintelligent? Zu befürchten hatten sie jedenfalls nichts – Happy war angeleint, Cima nur am Leckerliebeutel interessiert. 

    Weiter oben verschwanden langsam Wiesen, Grün und Murmeltiere – dafür nahm die Anzahl Wanderer zu. Dankbar, dass die beiden Eurasier-Damen für einen Tag mal auf die dickschädliche Eigenständigkeit, die ihnen sonst so eigen ist, verzichteten, begeisterten sie Frauchen durch Gehorsam und alle anderen mit ihrer Flauschigkeit. Unermüdlich trabten die beiden die Wanderwege entlang, drängelten nie, hüpften bei Bedarf zur Seite, ließen andere passieren und nach fast 18 Kilometern und 900 Höhenmetern wurde der Ausgangspunkt wieder erreicht. Ab auf die Wiese, hinlegen, dösen, auf das andere Team warten.

    Dieses schraubte sich im Pößnecker in der prallen Sonne langsam dem Sella-Plateau entgegen. Zwar hatte der Klettersteig keine Freikletterstellen mehr, bot dafür aber umso mehr Speck und Schmiere für Griff und Tritt – besondere Intensität dank Sonnenschein. Oben angekommen ging es ans Gipfelkreuze-Umarmen, Bögen-Schlagen, Stolpern und Ausrutschen sowie Mittagsschläfchen-Halten. 

    Beim Abstieg lockte ein Wasserfall mit Planschbecken, über welches freudestrahlend hergefallen wurde. Teils Füße, teils ganze Menschen samt ihren iPhones nahmen dort ein erfrischendes, eiskaltes Bad – sauberer hätte ein Tourabschluss nun wirklich nicht sein können.